Empire: Die neue Weltordnung (German Edition) by Michael Hardt & Antonio Negri

Empire: Die neue Weltordnung (German Edition) by Michael Hardt & Antonio Negri

Author:Michael Hardt & Antonio Negri [Hardt, Michael]
Language: deu
Format: epub
Tags: Soziale Bewegungen, Biopolitik, Globalisierung, Kapitalismus, Imperialismus, Souveränität
Publisher: Campus Verlag
Published: 2015-03-04T16:00:00+00:00


Ausgleich und Subsumtion

Lenins Schrift über den Imperialismus (1916) ist in erster Linie als Überblick angelegt, um die Untersuchungen anderer Autoren einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Doch zugleich ist Lenins Text ein eigenständiger Beitrag, der vor allem die Kritik des Imperialismus vom Standpunkt des revolutionären Subjekts aus formuliert und sie dadurch mit der marxistischen Vorstellung vom revolutionären Potenzial der Krise verbindet. Er hinterließ einen Werkzeugkasten, die Maschinerie, um antiimperialistische Subjektivität herzustellen.

Lenin trägt seine Argumente oft polemisch vor. Seine Imperialismusanalyse formuliert er in erster Linie in der Auseinandersetzung mit den Thesen Rudolf Hilferdings und Karl Kautskys. Um seine Kritik zu entwickeln, rekapituliert Lenin die theoretischen Annahmen beider Autoren sorgfältig und übernimmt sie bisweilen als seine eigenen. So adaptiert er Hilferdings Hypothese, dass, während das Kapital sich mittels der imperialistischen Entwicklung des Weltmarkts ausdehnt, die Hindernisse für den Ausgleich der Profitraten zwischen verschiedenen Branchen und Sektoren der Produktion immer größer werden. Doch eine friedliche kapitalistische Entwicklung bedarf zumindest der Tendenz nach ausgeglichener ökonomischer Bedingungen: gleiche Preise für gleiche Waren, gleichen Profit für gleichen Kapitaleinsatz, gleiche Löhne und gleiche Ausbeutung für gleiche Arbeit etc. Hilferding erkannte, dass der Imperialismus – der Nationen und Gebiete, in denen eine kapitalistische Entwicklung stattfindet, in zunehmend rigider Weise ordnet und nationale Monopole mit Autorität ausstattet – die Herstellung einer ausgeglichenen Profitrate behindert und aus diesem Grund die Möglichkeit erfolgreicher kapitalistischer Vermittlung internationaler Entwicklung untergräbt.9 Tatsächlich machte die monopolistische Beherrschung und Aufteilung des Weltmarkts den Ausgleichsprozess so gut wie unmöglich. Nur falls die nationalen Zentralbanken zur Intervention bereit waren (oder besser, falls eine vereinigte Bank im Weltmaßstab intervenieren würde), hätte dieser Widerspruch, der Anlass zu Handels- und wirklichen Kriegen gleichermaßen bot, gelöst und beigelegt werden können. Kurz, Lenin übernahm Hilferdings Hypothese, wonach das Kapital in ein neues Stadium internationaler Entwicklung getreten sei, das durch Monopole definiert ist, und dass dies sowohl zu einer Entfaltung der Widersprüche als auch zur Krise des Ausgleichs geführt hätte. Die Utopie einer vereinigten Bank auf internationaler Ebene konnte er allerdings nicht ernst nehmen, und die Möglichkeit, dass eine kapitalistische »Aufhebung« der Krise jemals möglich wäre, wies er zurück.

Lenin betrachtete die Position Kautskys, der ebenfalls Hilferdings Schrift zum Ausgangspunkt nimmt, als noch utopischer und schädlicher. Kautsky (1915, 144) vertrat letztlich die Auffassung, der Kapitalismus sei in der Lage, den Weltmarkt politisch und ökonomisch tatsächlich zu vereinigen. Auf die gewalttätigen Konflikte des Imperialismus würde eine neue friedliche Phase des Kapitalismus folgen, die er die »Phase des Ultraimperialismus« nannte. Die Kapitalmagnaten könnten sich zu einem einzigen Welttrust zusammenschließen, der dann die Konkurrenz und den Kampf der national verankerten Finanzkapitale durch die internationale Vereinigung des Finanzkapitals ersetzen würde. Dadurch wäre in der Zukunft eine Phase vorstellbar, in der das Kapital zur friedlichen Aufhebung und Lösung der Widersprüche gelangt und in der es nicht einer vereinigten Bank, sondern Marktkräften und mehr oder minder staatlich regulierten Monopolen gelingen könnte, den weltweiten Ausgleich der Profitrate zu bestimmen. Lenin stimmte mit Kautskys Grundannahme überein, dass sich die Entwicklung des Kapitalismus in Richtung internationaler Kooperation der verschiedenen nationalen Finanzkapitale und möglicherweise in Richtung der Bildung eines einzigen Welttrusts bewege.



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